Bildersturm und Bilderflut
Fr, 12.07.2002 – Sa, 13.07.2002, Symposium

Das ZKM_Zentrum für Kunst und Medientechnologie und das Graduiertenkolleg an der Staatlichen Hochschule für Gestaltung [HfG] in Karlsruhe veranstalten anlässlich der Ausstellung »iconoclash. Jenseits der Bilderkriege in Wissenschaft, Religion und Kunst« im ZKM das internationale Symposium »Bildersturm und Bilderflut«. Die Tagung nimmt Themen der großen Ausstellung auf, welche die Konflikte um Bilder sowohl in historischen Situationen wie auch in der zeitgenössischen Welt vorstellt. Dabei gerät auch die Gegenwartskunst mit ihren Problemen angesichts von Repräsentationen in das Zentrum der Aufmerksamkeit. Insbesondere werden Bildfragen diskutiert, die in den drei Bereichen Religion, Kunst und heutiger Naturwissenschaft eine maßgebliche Rolle spielen oder gespielt haben. Im Rahmen des Symposiums wird das interdisziplinäre Spektrum deutlich, in welchem heute die Bildfrage lokalisiert werden muss.

Die Teilnehmer der Tagung bieten die außergewöhnliche Chance, die Fragestellung der Ausstellung im ZKM auf einem hohen Niveau der Reflexion zu durchleuchten. Am ersten Tag werden die heute führenden Bildtheoretiker zur Sprache kommen, an erster Stelle W.J.T. Mitchell, der Autor des berühmten Buches Iconology, und David Freedberg, Verfasser des nicht minder berühmten Buches The Power of Images. Brian O’Doherty, der den Begriff des »White Cube« geprägt hat und selbst als Künstler arbeitet, wird dabei die Konzeption seines Duchamp-Porträts erläutern. Bruno Latour, der an der Idee der Ausstellung maßgeblich beteiligt war, stellt seine Sicht der Dinge in diesem Kreis zur Diskussion. Peter Galison bringt die Bildfragen ins Gespräch, welche heute die Naturwissenschaften beherrschen. Jan Assmann und Othmar Keel sind die berufenen Interpreten des jüdischen Bilderverbots. Henk van Os und Dario Gamboni bringen ebenso wie Martin Schulz die Frage des Bilderstreits in der modernen Kunst ein, die auch am nächsten Vormittag im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen wird. Der weitere Verlauf der Tagung vergrößert das Spektrum der Bilderfrage in den verschiedensten Richtungen, wobei Peter Weibel im algorithmischen Bild eine Kernfrage der heutigen Bildersituation anspricht. Die Tagung endet mit einer Analyse von Peter Sloterdijk, dem Rektor der Hochschule für Gestaltung, über das ganz aktuelle Thema der Gewalt der Bilder.

[Vorträge in deutscher oder in englischer Sprache.]

 

Programm

 

Freitag, 12. Juli 2002

 

09.00 - 11.00 Uhr

Peter Weibel [Karlsruhe] und Hans Belting [Karlsruhe]

Begrüßung

 

Brian O'Doherty [New York]

The last Duchamp Portrait by Patrick Ireland alias B. O'Doherty

 

David Freedberg [New York]

Bamiyan

11.00 - 11.30 Uhr

Kaffeepause

 

11.30 - 13.30 Uhr

W.J.T. Mitchell [Chicago]

Offending Images

 

Peter Galison [Harvard]

Simulation, Imagery and the Iconoclash

13.30 - 15.00 Uhr

Mittagspause

 

15.00 - 17.00 Uhr

Jan Assmann [Heidelberg]

Zwischen Ikonoklasmus und Idolatrie: vom Sinn des Bilderverbots

 

Othmar Keel [Fribourg]

Die Eherne Schlange in Jerusalem und ihre Zerstörung

 

Bruno Latour [Paris]

What is Iconoclash?

17.00 - 17.30 Uhr

Kaffeepause

 

17.30 - 20.00 Uhr

Henk van Os [Amsterdam]

What to do with the return of iconoclasm?

 

Dario Gamboni [Amsterdam]

Neque delenda imago

 

Martin Schulz [Karlsruhe]

Die ikonoklastische Geste des Modernismus

Samstag, 13. Juli 2002

 

09.00 - 11.30 Uhr

Siegfried Gohr [Karlsruhe]

»Bilderstreit« als Bilderstreit

 

Friedhelm Mennekes SJ [Köln/Frankfurt]

Praxis Bilderstreit. Über den Umgang mit Bildern in Sankt Peter in Köln

 

Lydia Haustein [Berlin/Göttingen]

»Apocalypse Now« – Das Bild als Tor zum Leben

11.30 - 12.00 Uhr

Kaffeepause

 

12.00 - 14.00 Uhr

Hubertus von Amelunxen [Lübeck/Montréal]

A W-Hole Image - Gordon Matta-Clark und die Bleibe des Bildes

 

Anne-Marie Bonnet [Bonn]

Ausweitung der Bildzone von Körpern und Bildern im 'bodyturn'

14.00 - 15.00 Uhr

Mittagspause

 

15.00 - 17.30 Uhr

Peter Weibel [Karlsruhe]

Das algorithmische Bild – von der Repräsentation zur Partizipation

 

Joseph Leo Koerner [London]

Divine Concealment in Hieronymus Bosch

17.30 - 18.00 Uhr

Kaffeepause

 

17.30 - 18.00 Uhr

Gerhard Wolf [Rom/Trier]

Das paradoxe Bildkonzept der acheiropoieta zwischen Byzanz und dem Westen (Arbeitstitel)

 

Peter Sloterdijk [Karlsruhe]

Gewalt der Bilder – Bilder der Gewalt

 

Podiumsdiskussion

 

 

Referenten

Hubertus von Amelunxen [Lübeck/Montréal]
»A W-Hole Image - Gordon Matta-Clark und die Bleibe des Bildes«

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Jan Assmann [Heidelberg]
»Zwischen Ikonoklasmus und Idolatrie: vom Sinn des Bilderverbots«

Der Vortrag behandelt den »Sinn« des Bilderverbots im antiken Judentum. Dabei geht es zum einen um den politischen Widerstand gegen alle Formen staatlicher Repräsentation nicht nur von weltlicher, sondern auch religiöser Macht, und zum anderen um die Verwerfung des »Kosmotheismus«, der die Welt nicht nur als Schöpfung, sondern als Erscheinungsform des Göttlichen anbetet.

Hans Belting [Karlsruhe]
Moderation

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Anne-Marie Bonnet [Bonn]
»Ausweitung der Bildzone von Körpern und Bildern im 'bodyturn'«

Versucht man eine Bilanz zum Bild des Menschen in den bildenden Künsten des ausgehenden 20 Jh. zu ziehen, kann man feststellen, dass zum einen die Grenzen zwischen Bild-Körper und Körperbild fließend geworden sind, und dass zum anderen sich Auseinandersetzungen mit dem Bild des Menschen vorwiegend in photographischen Bildern oder in den sog. neuen elektronischen Medien ereignen. Bild des Menschen und Bild des Körpers sind geradezu synonym geworden, der Mensch wird mit seinem Körper geradezu gleichgesetzt. Während in den 60er/70er Jahren der Körper den KünsterInnen zum Medium einer Neudefinition ihrer Kunstauffassung und Selbstfindung avancierte, wurde er in den 80er Jahren zum ‘Schlachtfeld’ zum Austragen von Gender- und Minderheitenforderungen. Im Zeitalter allgemeiner Ästhetisierung, der Simultation und der visuellen Bilderflut, als das Bild der Welt hinter den Bildern der Welt zunehmend mehr verschwand, man von ‘pictorial turn’ sprach, die Zeichen und Bilder ihre Bedeutung veränderten, in den 90er Jahren also, kann dann geradezu von einem ‘body-turn’ gesprochen werden, denn die Bedeutung des Körpers, seiner Nutzung und Darstellung in den bildenden Künsten unterlief erneut eine fundamentale Veränderung. Während das Menschenbild in die Krise geriet [s. post-human Debatte, nun Genom-Problematik], tritt zunehmend mehr der Körper gleichsam als letzter Rückzugsort für das Selbst, die Identität in der Vordergrund. Die Auseinandersetzungen fanden zunächst in photogaphischen Bildern statt, zu einem Zeitpunkt als sie Photographie selbst bezüglich ihres Selbstverständnisses als Bildmedium in eine Identitätskrise geriet. Mit der visuellen Bilderflut geht bekanntlich eine Verflüchtigung der Wirklichkeit einher. Dies ist einer der Hauptursachen der allgegenwärtigen Identitätskrisen ( Was ist real? Was ist ein Mensch? Was ist eine Frau? Was ist ein Mann?) Im Kontext der heutigen Beschwörung von Leiblichkeit, die als verzweifelter Kampf gegen jene Entkörperlichung zu verstehen ist, die aus der Allgegenwart unserer visuellen Kultur resultiert, erschien die heutige Photographie in ihrer Unschärferelation zwischen Sein und Schein, zwischen real Existierendem und bloß Gedachtem, zwischen Tatsachen und Sehnsüchten zunächst als adäquates Medium zur Auslotung von Identitätskrisen. In den 80er und 90er Jahren fand eine mediale Selbstreflexion des photographischen Aktes statt, besonders hinsichtlich der Position zwischen Reproduktion und Produktion eines Bildes, die sich mit der Selbstbefragung des Menschen in seiner Leiblichkeit traf. Indem der Körper sowohl Medium als auch Ziel, Subjekt wie auch Objekt wurde, konzeptuell und selbstreflexiv in den bildenden Künsten immer erst konstituiert werden will, nicht mehr nur dokumentiert zu werden vermag, kann und muss von einem Paradigmawechsel [‘body-turn’] gesprochen werden, der anhand von Werkbeispielen dargelegt und versuchsweise in einen geistesgeschichtlichen Kontext eingebettet werden wird. Insbesondere der Wandel der Medien in den ausgehenden 90er Jahren bestätigt diesen Wechsel.

David Freedberg [New York]
»The Kachinas of Oraibi: Ethnography, Photography and Iconoclash«

Warburg's gross misunderstanding of the Hopi Kachinas and the Hopi Snake Dance exemplifies some of the less commonly acknowledged aspects of the iconoclash. I go on to speak of the following: Warburg's drive to understand the emotionality of Western images by appealing to the surviving primi-tive cultures of the American West. His failure. The museum as the true site of the iconoclash. How ethnography drains images of their powers, and thus destroys what makes them distinctive. The mask as true image. The loss of self control – entailed by laughter, or desire – as a factor in the wish to drain images of their power, or to destroy them. Warburg's Bilderatlas as the consequence and antithesis of the irrationality he feared in the response to images.

Peter Galison [Harvard]
»Simulation, Imagery and the Iconoclash«

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Dario Gamboni [Amsterdam]
»Neque delenda imago«

»Iconoclash« proposes to »suspend the iconoclastic gesture«. This paper will explore some visual and semantic aspects of such a suspension, in relation to political representation, monumental sculpture, and notions of time. It will argue that suspension can visualize an »epochè« that shows a way out of cyclic repetition and the alternative iconoclasm/idolatry.

Siegfried Gohr [Karlsruhe]
»'Bilderstreit' als Bilderstreit«

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Lydia Haustein [Berlin/Göttingen]
»'Apocalypse Now' – Das Bild als Tor zum Leben«

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Othmar Keel [Fribourg]
»Die Eherne Schlange in Jerusalem und ihre Zerstörung«

Das 5. Buch Mose [21,4-9] erzählt von einer Schlangenplage, bei der Mose auf Geheiss Jahwes eine bronzene Schlange anfertigte. Ihr Anblick machte die Schlangenbisse unwirksam. Im 2. Königsbuch steht: »Hiskija zerschlug die Bronzeschlange, die Mose angefertigt hatte, und der die Israeliten bis zu jener Zeit Rauchopfer dargebracht hatten. Man hatte sie Nehuschtan [Bronzebild] genannt«. Einige Fragen, die sich stellen, sind: In welchem Verhältnis stehen die beiden Texte zueinander? Wie hat man sich das Schlangenbild im Lichte der Ikonographie Palästina/Israels vorzustellen? Was veranlasste Hiskija, das Bild zu zerstören? In welchem Verhältnis stehen der Text bzw. das Ereignis zum Zweiten Gebot? Der Vortrag versucht, auf diese Fragen Antworten zu finden.

Joseph Leo Koerner [London]
»Divine Concealment in Hieronymus Bosch«

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Bruno Latour [Paris]
»What is Iconoclash?«

Was die Ausstellung „Icono-clash“ [nicht Ikono-klasmus] nennt, ist das Vorhandensein einer tiefgrei-fenden und verstörenden Unischerheit hinsichtlich der Rolle eines Bildes oder einer Form der Reprä-sentation. Es soll nicht nur der Glaube an Bilder in der Schwebe gehalten bzw. außer Kraft gesetzt werden sondern auch der Unglaube gegenüber Bildern. Vielleicht sind diese zerbrechlichen Reprä-sentationen alles, was uns zur Verfügung steht. Aber wenn dem so ist, dann muß eine andere Form der Verteilung von Vertrauen in und Zurückhaltung gegenüber Bildern entworfen werden. Um dies zu erreichen müssen wir verschiedene Modelle des Glaubens und des Unglaubens, des Zweifels an der Repräsentation vergleichen. Ein großer Teil unserer europäischen Tradition, mit Bildern umzugehen, stammt aus dem Bereich der Religion. Im Bereich der Religion existieren gleichzeitig Bilderverbote und eine Verbreitung von Bildern. Daher rührt also die Präsentation so vieler „Iconoclashes“, dem Aufeinandertreffen dieser gegenläufigen Bereiche in der Ausstellung.
Es existiert aber auch Repräsentation, die nicht der Religion entstammt, sondern der Wissenschaft-stradition. Auch hier spielt sich wieder der Kampf wissenschaftlicher Vorgehensweisen gegen die Macht der Bilder und der Imagination ab, die dabei aber gleichzeitig in ihrem Bestreben, objektives Wissen zu produzieren, notwendigerweise eine unendliche Zahl an Repräsentationsmöglichkeiten hervorbringen. Daher also eine weitere Form des Vertrauens und der Zurückhaltung gegenüber Bildern. Der Bereich aber, in dem am Systematischsten zugunsten und gegen Bilder experimentiert wurde, ist die Kunst. Auch hier wird deutlich, dass die Forderung nach neuen Formen der Zerstörung von Bildern wiederum einen unausgesetzten Fluß neuer Formen der Herstellung von Bildern hervor-gebracht hat. Alle diese Muster von Glaube und Zweifel an Bildern - ob in den Wissenschaften, der Religion oder in der Kunst - waren an einem bestimmten Punkt aufs Stärkste mit dem Bereich der Repräsentation par excellence verbunden: der Politik.

Friedhelm Mennekes SJ [Köln/Frankfurt]
»Praxis Bilderstreit. Über den Umgang mit Bildern in Sankt Peter in Köln«

Der sakrale Raum wird heute von vielen Menschen nicht so sehr als ein Ort der Antworten begriffen, sondern als ein energiegeladener Raum zum Suchen und Fragen. Nach einer alten theologischen Unterscheidung ist es die pastoral begründete Akzentverlagerung von einer fides quae zu einer fides qua, von einer inhaltlichen Orientierung des Glaubens als Credo auf die vitale Sorge um einen regen und kreativen Glauben als Form und Praxis. Für eine solche Orientierung ist der sakrale Raum als frei- und leergeräumter Raum eine wichtige Voraussetzung. Das bedeutet nicht die Dekonstruktion einer Kirche in eine Fabrikhalle. Auch ein kahler Raum benötigt kühne abstrakte Formen, um ihn den Charakter der Sakralität und Würde zuzu-schreiben. Vor allem aber benötigt er die Freiheit von überflüssigem Mobiliar, das allenfalls konfessio-nelle Milieus repräsentiert. Der moderne Sakralraum muss von seinen scheinbaren Eindeutigkeiten befreit werden, um ihn in seine überkommene Offenheit und komplexe Vieldeutigkeit zurückzuholen. Das bedeutet keinen Bildersturm. Katholischerseits beispielsweise heißt es, die Orte für Altar, Kreuz, Madonna und möglicherweise den Kirchenpatron sorgfältig auszuwählen. Der Rest aber muss mobil gehalten werden, um den architektonisch sakral konzipierten Raum sich selbst freizugeben und ein-deutiger in seine Sakralität hin zu öffnen, von der größeren Bandbreite für seine liturgische Nutzung ganz zu schweigen. Die dynamische Dimension des Raumes ist immer auch offen für Bilder – als gestaltete Fragen. In Sankt Peter z.B. finden regelmäßig Ausstellungen moderner Kunst statt, um den Betrachter mit der Zeit, in der er lebt.

W.J.T. Mitchell [Chicago]
»Offending Images«

The title of this talk is deliberately ambiguous: some images are, of course, offensive to some people, but what about the reverse situation, when people set out to offend an image? What does it tell us about the nature of images that it makes sense for people to destroy, disfigure, banish or otherwise punish and “offend” them? What are the various ways of offending images? This paper will explore outbreaks of iconoclasm and offensive images in contemporary culture, from the Sensation show at the Brooklyn Museum to the destruction of the World Trade Center to the emergence of cloning as a subject for public debate.

Brian O'Doherty [New York]
»The last Duchamp Portrait by Patrick Ireland alias B. O'Doherty«

In 1966, Patrick Ireland (then Brian O'Doherty), asked his friend Marcel Duchamp if he could make his portrait. Duchamp agreed, and O'Doherty, an ex-doctor, recorded Duchamp's electrocardiogram. He then designed an artwork which represented Duchamp's heart-tracing beating on indefinitely on an oscilloscope. While seen by some as a tribute, the Duchamp portrait contests some of Duchamp's primary ideas, and is in fact an anti-Duchamp gesture. This was one of several of what Ireland/ O'Doherty called "Gestures" made in the following decade. These include an on-going photo-graphic self-portrait (from 1969), "Wittgenstein 7H to 7B", and a compendium in a box, "Aspen 5+6" (1967), which has been called the first conceptual exhibition outside the gallery.

Henk van Os [Amsterdam]
»What to do with the return of iconoclasm? Museums and Iconoclasm«

Generally only the motifs of iconoclasts are studied by scholars of iconoclashes. I would like to talk about the policy, ideology and emotions of museum people who present the iconoclasts with their works of art, including my own thoughts and emotions as general director of the Rijksmuseum after the attack with hydrochloric acid of the Nightwatch on April 9, 1990. How do curators and restorers deal with ‘meaningful damages’? Also I would like to make clear that the acquaintance with the emotions of Wim Beeren as director of the Stedelijk Museum after the destruction of Barnett Newman’s painting, is crucial if one wants to understand the terrible scandal caused by Goldreyer’s restoration.

Martin Schulz [Karlsruhe]
»Die ikonoklastische Geste des Modernismus«

Es wird im Vortrag weniger darum gehen, einmal mehr den Ikonoklasmus der modernen Malerei darzustellen ([wie er in der Ausstellung bereits ausführlich gezeigt wird], als vielmehr darum, dem Ikonoklasmus auf der Metaebene des klassifizierenden, säkularisierenden, ideologischkritischen und sprachlich sich äußernden, spezifisch modernistischen Urteils über die Bilder nachzuspüren – dem ikonoklastischen Blick auf die ikonoklastischen Bilder selbst. Es besteht ein besonders widersprüchlicher iconoclash zwischen den ikonoklastischen Bildern des geschichtslogischen modernistischen Diskurses und den eigentlichen Bildern der ikonoklastischen Malerei. Kaum eines der radikalsten Werke moderner Malerei scheint in dem Maße bilderfeindlich zu sein, wie es die dogmatischen Kritiker des Modernismus darstellen. Wer verfügt über die richtigen und wer hat die falschen Bilder?

Peter Sloterdijk [Karlsruhe]
»Gewalt der Bilder – Bilder der Gewalt«

Typen der Gewalt
Um Gewalterscheinungen in unserer modernen Gesellschaft zu erklären, muss man zwei grundle-gende Typen von Gewalt unterscheiden: Zum einen die innerfamiliäre Gewalt, die zu enthemmender, generationenübergreifender Eskalation führt. Zum anderen existiere eine Form von Gewalt, die sich als institutionalisierte Gewalt etwa in Kriegen entwickelt. Brot und Spiele Zorn, Gewalt und die Macht, den Untertanen den Tod zu geben, wurden zum Zeichen von Majestät erhoben und in eine Ästhetik des Erhabenen gefasst. Das Erhabene brauchte den gewalttätigen Zorn des Herrschers, um die Untertanen vor ihm zittern zu machen. Diese Rolle ging später auf die All-macht der Natur über, vor der ein schreckensbewegtes Publikum erschauerte. Eine harmlose Dar-stellung von Gewalt gibt es nicht: Wer mitteilt, teilt die Sache selbst, der Erzähler ist immer auch Ver-bündeter, Komplize und Kritiker. Das Grundproblem des 20. Jahrhunderts ist, dass der römische Amüsierfaschismus - Brot und Spiele - über das Sportlerideal des griechischen Helden gesiegt hat.
Der ehrenhafte Tod
Die national-imperialen Staaten stützen sich heutzutage auf eine Massenkommunikation, durch die das Volk täglich indoktriniert wird – Stichwort "Halluzinationsgemeinschaft". Kolumnisten, Prediger und Revoluzzer hauchen der Masse Einheit ein. Die wichtigste Gattung der Gewaltdarstellung in der Populärkultur ist der Horrofilm, der eine zivilisierende Funktion hat und ein Katalysator für Angst ist.
Offenbarung des Sprengstoffs
Die Fluten gewalttätiger Kino-Bilder haben eine wichtige Funktion in der gegenwärtigen Gesellschaft: Wenn das Kino eine Kirche wäre, dann würde dort die Offenbarung des Sprengstoffes zelebriert. Die Botschaft der heutigen Unterhaltungsindustrie lautet: Es ist herrlich ein Vernichter zu sein unter lauter Unterdrückten.

Peter Weibel [Karlsruhe]
»Das algorithmische Bild – von der Repräsentation zur Partizipation«

Aus der Krise der bildlichen Repräsentation um 1915 entstanden zwei Strategien: erstens die Verbannung der Abbildung des Gegenstandes aus der Malerei [der Beginn der Abstraktion], zweitens die Einführung des realen Gegenstandes als künstlerisches Objekt. In beiden Fällen verschwand das Bild des Gegenstandes. Mit dem Gegenstand kam ein sanfter Paradigmenwechsel von der ästhetischen Erscheinung zur Gebrauchsfunktion des Objekts. In einer zweiten Stufe wurde der Gegenstand abgelöst von einer Gebrauchsanweisung, die den Gegenstand implizit immer schon begleitete. Handlungsanweisungen an den Benutzer eines Gegenstandes bzw. den Betrachter eines Bildes führten in der dritten Stufe zur expliziten Integration des Rezipienten, der an der Konstruktion des Kunstwerkes wesentlich Anteil hatte. Dieser Schritt wurde in der Musik wie auch in der bildenden Kunst durch den Computer wesentlich erleichtert, da das berechenbare interaktive Bild in seiner Entstehung von Entscheidungsprozeduren des Beobachters abhängig ist.

Gerhard Wolf [Rom/Trier]
»acheiropoieton. Das Bild als Nicht-Bild?«

Die der Legende nach nicht von Menschenhand geschaffenen Bilder Christi in Byzanz und im Westen zeichnen sich durch eine privilegierte Beziehung zum Körper aus, denn sie sollen durch einen Abdruck des Gesichtes entstanden sein. Damit überschreiten sie den Bildcharakter, stellen diesen selbst infrage: sind sie eine Form oder Konsequenz von »iconoclash«? Totenkopf und Seitenwunde sind ihr alter ego, sie sind ein zentrales Paradox in der europäischen Bild- und Mediengeschichte. In den Kopien werden sie erst eigentlich sichtbar; in diesen manifestiert sich zugleich der Drang nach Selbstüberwindung und -aufhebung der von Menschenhand geschaffenen Bilder sowie die Dialektik von Materialität und Medialität.