Philip Pocock: SpacePlace (Eröffnung)
Auf die Glaswände des Ausstellungsraums ZKMax wird »SpacePlace« projiziert. Davor sieht man Personen mit Mobiltelephonen, die mit der Installation kommunizieren.
Art in the Age of Orbitization
Mi, 07.06.2006 19:00 Uhr CEST, Eröffnung
Angeregt von einem Freund, dem russischen Raumfahrt-Pionier Konstantin Ziolkowski, der 1903 bemannte Raumstationen entwarf, veröffentliche Kasimir Malewitsch 1924 architektonische Konstruktionen, deren Leitbild Raumschiffe sind und die er »Planiten« nannte („Die provisorischen Behausungen den neuen Menschen müssen sowohl im Weltraum als auch auf der Erde den Aeroplanen angepaßt sein.“). Von Ziolkowski stammt übrigens der Vorschlag, den ersten Satelliten, der am 04. Oktober 1957 in die Umlaufbahn geschossen wurde, »Reisebegleiter« zu nennen, auf russisch eben »Sputnik«.
 
Weltraumkunst und Entwürfe zur Weltraumkunst sollten aber nicht in einem irdischen Museum zu sehen sein, sondern der adäquate Ort für Weltraum- und Satellitenkunst müsste der Weltraum selbst bzw. ein Satellit sein. Deswegen arbeitet das ZKM daran, einen Kunst-Satelliten zu erwerben, in dem nur Weltraumkunst zu sehen wäre. Wie wäre diese Kunst aber zu sehen von Menschen auf der Erde, wenn die Werke selbst im Orbit rotieren? Genau damit beschäftigt sich das Projekt »SpacePlace: Art in the Age of Orbitization« in München.
Es wird nämlich die Idee getestet, dass in Zukunft die Menschen mit Hilfe ihrer mobilen Telefone, die zugleich ihre PCs sind, drahtlosen Zugang zu allen gespeicherten Informationen haben, sofern sie nicht »classified matter«, also zensiert sind, und natürlich auch zu Informationen, die in Satelliten gespeichert sind. Die Information wird in Zukunft außerhalb der Erde gespeichert sein, und die Menschen können sie jederzeit von dort abrufen. Den ersten Schritt in diese Richtung macht das vorliegende München-Experiment. Das ZKM möchte einen ZKM-Satelliten entwickeln, auf dem allein Weltraumkunst gespeichert und abrufbar ist. Orbitale Kunst rotiert im Orbit, ist aber für die Erdbewohner zugänglich auf mobilen Bildschirmen. Die dazu notwendige Teletechnik wird hier erstmals auf Konsumentengeräten modellhaft vorgestellt.
»SpacePlace« ist ein »Web2-Mash up«, eine dem Web 2.0 verpflichtete Sammlung von Daten aus verschiedenen Sphären künstlerischer Produktion, die um den Begriff »Orbit« kreisen, konfiguriert von Philip Pocock. Die Inhalte der Projektdatenbank stammen aus Themengebieten wie Bildende Kunst, Architektur, Science Fiction, Film, Musik, digitale Kunst und Medien. Aktuell sind über 400 Einträge zur orbitalen Kunst, darunter zu Projekten von Künstlern wie Marina Abramovic über Nam June Paik bis hin zu Arthur Woods oder Woody Vasulka abrufbar – ein Datenpool, der beständig erweitert wird.
 
Sowohl über die Projektwebsite www.orbit.zkm.de als auch mobil vor Ort mobile.orbit.zkm.de können die User mittels ihres Mobiltelefons über ein Bluetooth-Interface durch die Datenbankinhalte navigieren oder Text- oder Bildinformationen diesem Universum hinzufügen und so seinen Content und dessen Strukturierung kollektiv gestalten.
 
Das ZKMax wird in diesem Kontext zum Display und zum Interaktionsraum: Zwei großformatige Projektionen geben visuell und akustisch den aktuellen Zustand des »SpacePlace«-Forums wieder. Eine Projektionsfläche dient dabei als Interaktionsforum, das die Möglichkeit bietet, den Datenpool zu erkunden sowie über ein Bluetooth-Interface mit dem Mobiltelefon neue Informationen hinzuzufügen.
Die zweite Projektion zeigt visuell und akustisch den aktuellen Zustand des »SpacePlace«-Forums an. Dabei werden Textnachrichten und Newsfeeds aus der Bloggerwelt, die in diesem Forum zusammenlaufen, in Echtzeit in Sprache umgewandelt. Über diese synthetische Computerstimme wird ein Soundtrack generiert, mit dem die Abfolge der angezeigten Video- und Standbildsequenzen aus dem Datenpool gesteuert werden. Die Besucher erleben die terrestrische Simulation eines orbitalen Kunstwerks.
Website
SpacePlace [Projektwebsite]
Organisation / Institution
ZKM