Peter Weibel über die virtuelle Ausstellung »Critical Zones«

»Wird das ZKM geöffnet? Nein, denn das ZKM war stets geöffnet, nämlich auf Sendung!« – Peter Weibel über die virtuelle Ausstellung »Critical Zones«.

Allenthalben heißt es, die Museen seien wieder geöffnet und damit meint man den Eintritt in den realen Raum der Museen. In Wirklichkeit waren die meisten Museen immer offen, auch während der Corona-Krise, nämlich offen im virtuellen Raum, während der reale Raum geschlossen war. Durch die Corona-Krise waren viele öffentliche Einrichtungen gezwungen worden, neue digitale Formen der Öffentlichkeit herzustellen, Kommunikation mittels ferntechnischer Medien, weil die alten Formen versperrt waren. Man konnte durch diesen erzwungenen Schritt in die digitale Welt lernen, dass wir heute über viele Formen öffentlicher Sphären verfügen.

Während die realen Räume des ZKM geschlossen blieben, hat das ZKM im virtuellen Raum der Netzwerke geöffnet gehabt. Es hat vom 06.04.–01.05.2020 immer von Montag bis Freitag ab 18:00 Uhr die »FEMINALE DER MUSIK« gesendet – ein digitales Festival zur Vorstellung von Komponistinnen ausgehend vom 17. Jahrhundert bis heute mit wechselndem Live-Programm, darunter Interviews und Konzerte. Es hat ebenso die physisch geschlossene Ausstellung »bauhaus.film.expanded« mindestens zweimal die Woche virtuell durch Filmscreenings, Expertengespräche und Workshops geöffnet. Das ZKM war auf Sendung und dadurch immer offen und öffentlich zugänglich.

Man kehrt in die alte analoge Welt zurück und tut so, als ob nichts geschehen wäre. Die Zeit der Corona-Krise hat die digitalen Schwächen öffentlicher Einrichtungen demaskiert. Eines von vielen Beispielen war die amateurhafte Sendung über die Verleihung des Deutschen Filmpreises 2020 #lola20 in Berlin in der ARD. Das Fernsehen wusste nicht, wie man mit Ferntechnik umgehen kann.

Wir wollen daher die kommende Ausstellung zum wichtigsten Thema der Gegenwart »Critical Zones – Horizonte einer neuen Erdpolitik«, und damit die Frage, wie wir dafür sorgen können, dass der Planet Erde für die Menschen bewohnbar bleibt, am 22. Mai nicht nur im analogen Raum, sondern vor allem durch eine virtuelle Vernissage digital öffnen. Vom 22. bis 24. Mai findet vom späten Nachmittag bis Mitternacht ein Streaming-Festival statt. Mit diesem Festival wird das ZKM nicht nur die Konturen der Zukunft des Museums, sondern auch der Zukunft des Fernsehens präsentieren. In einer Mischung von aufgezeichnet und live, von Vorträgen und Gesprächen mit Publikum, mit Originalbeiträgen und Filmen wollen wir zeigen, dass der klassische Roundtable im realen Raum in einen mosaikartig vernetzten, virtuellen Tisch transformiert werden kann. Der Dialog zwischen anwesenden und abwesenden Personen, zwischen anwesenden und abwesenden Kunstwerken wird die Erfahrung eines neuen Ausstellungsformats und einer neuen Bildungsform sein. Wenn das Privatfernsehen bisher behauptete »We want to entertain you«, aber dies nur ein euphemistischer Zynismus ist für »Wir möchten Sie verblöden«, ist die Antwort des ZKM ein Satz des großen deutschen Mathematikers David Hilbert, der uns noch aus seinem Grabe zuruft: »Wir müssen wissen, wir werden wissen.«

Dem globalen Shutdown hat jedem einzelnen bewiesen wie das globale System des Lebens und das Leben jedes Einzelnen gefährdet ist. Darauf müssen wir angemessen reagieren. Deswegen sollen Künstler und Wissenschaftler durch die Ausstellung »Critical Zones« und die Televernissage einen Horizont für eine Zukunft des Lebens in Freiheit, Gleichheit und Schwesterlichkeit aufzeigen. 

Peter Weibel