Signal- und Maschinencodes

Codes: Mathematische Objekte zur Übermittlung von Nachrichten

Signalcodes

Signale dienen zur Kommunikation zwischen Menschen und Maschinen. Sie ermöglichen den Austausch von Nachrichten und vermitteln damit Information. Jedes Signal hat sowohl eine technisch-materielle als auch eine mathematisch-abstrakte Komponente. Zum Beispiel besteht jedes zwischen einem Sender und zugehörigen Empfänger übertragene Morsesignal aus einer Folge von elektrischen energetischen Zuständen, die zum anderen mathematisch als »Punkte« und als »Striche« des Morsealphabets gedeutet werden können und so den Morsecode bilden. Für den Nachrichtenaustausch ist der Morsecode das Wesentliche. Das elektrisch erzeugte Signal hat die Aufgabe, den Morsecode mit den vorhandenen technischen Mitteln zu realisieren und zu übertragen. Zur Erzeugung von Signalen, zu deren Übertragung und Speicherung und zu deren Empfang sind bestimmte technisch-physikalische Geräte erforderlich. Für optische, akustische, mechanische, magnetische und elektrische Signale werden dazu technische Mittel eingesetzt, die mittels der Physik, der Optik, der Akustik, der Mechanik, des Magnetismus, der Elektrizität und der elektromagnetischen Wellen erzeugt werden können. Alle diese Signale können im Prinzip zur Darstellung ein und desselben Signalcodes eingesetzt werden.

Die Zuordnung des zu einem Signal gehörigen Codes nennt man Codierung. Die Transformation eines Signals in ein anderes Signal nennt man Signalwandlung. Von analogen Signalen spricht man, wenn die zugehörige mathematische Beschreibung die Verwendung des Systems der reellen Zahlen verlangt. Analoge Signale erhält man vorwiegend bei der Messung physikalischer Zustände. Auch die Signale, die von Musikinstrumenten oder durch die menschliche Stimme erzeugt werden, sind Beispiele für analoge Signale. Digitale Signale sind solche, die mathematisch mittels des Systems der ganzen Zahlen beschrieben werden können. Digitale Signale zusammen mit den zugeordneten digitalen Codes ermöglichen heute mit den Mitteln der Mikroelektronik, der Computertechnik und der Informatik einen effektiven Einsatz zum Nachrichtenaustausch und sind auch die Basis für Daten zur Verarbeitung durch Computer.

Codes: Mathematische Objekte zur Erzeugung von dynamischen Prozessen

Maschinencodes

Wir sind im Alltag und in der Arbeit stets mit dynamischen Prozessen konfrontiert. Als solche bezeichnen wir Vorgänge, die in zeitlicher Folge verschiedene Zustände annehmen. Denken wir zum Beispiel an den dynamischen Prozess, der in Zusammenhang mit dem Kauf einer Fahrkarte in einem Fahrkartenautomat abläuft. Dieser beginnt mit dem Startzustand. Mit den schrittweise, in zeitlicher Folge durch Anklicken, gegebenen Signalen wird eine Steuerung des Automaten in einen Endzustand, dem Ziel, und nach Bezahlung die Ausgabe der entsprechenden Fahrkarte erreicht. Ein weiteres Beispiel für einen dynamischen Prozess ist auch mit der im Fernsehen gezeigten Wetterprognose gegeben, in der die geografischen Wetterzustände in zeitlicher Folge an verschiedenen Tagen der Woche gezeigt werden. Auch die Durchführung von Arbeitsplänen, in denen der jeweilige Stand einer Arbeit gezeigt wird, kann als ein Beispiel für einen dynamischen Prozess gelten. Wir leben in einer Welt, umgeben von einer Vielzahl von dynamischen Prozessen. Schließlich kann man sich selbst als einen, allerdings sehr komplexen, dynamischen Prozess betrachten.

Allgemein betrachtet ist jeder dynamische Prozess ein Konglomerat, das sich aus Anteilen von Materie, Energie und Information zusammensetzt. Im Fokus der Ausstellung »Open Codes« stehen jedoch dynamische Prozesse, die vor allem mit Information zu tun haben. Es geht dabei um die Behandlung der mathematischen Basis, um das mathematische System, das wesentlich für die Generierung von dynamischen Prozessen ist. Im Rahmen der Ausstellung sind dafür die Maschinencodes verantwortlich. Maschinencodes in diesem Sinne führen uns in die Welt der von Isaac Newton und Gottfried Wilhelm Leibniz geschaffenen mathematischen Analysis, in die Welt der Mechanik von Leonhard Euler bis Joseph-Louis de Lagrange und Pierre-Simon Laplace, und auch in die Welt der Automaten, Rechenmaschinen und Computer der Neuzeit sowie der mittels Programmierung geschaffenen Welt der Algorithmen. Charles Babbage, Alan Turing, Kurt Gödel, Konrad Zuse, Howard Aiken, John von Neumann, Claude E. Shannon, Gustav Knuth, um wichtige Pioniere zu nennen, sind hier von besonderer Bedeutung. Mathematisch haben wir es bei Maschinencodes mit Gebieten wie Differenzialgleichungen, Differenzengleichungen, Mathematische Logik, Boolesche Algebra, Endliche Automaten, Zellulare Automaten, Petrinetze oder Algorithmen zu tun. Zu allen diesen Gebieten gibt es zugehörige mathematische Theorien, die in Zusammenhang mit der Behandlung dynamischer Prozesse und zugehöriger Maschinencodes gesetzt werden können. Aktuelle praktische Beispiele von Maschinencodes sind mit den Programmsystemen für die Sozialen Netzwerke wie Facebook und andere, sowie für Betriebssysteme für persönlich betriebene Computer (z. B. Smartphones) und deren Anwendungssystemen (z. B. Google) gegeben. Aufgrund der damit verbundenen Geschäftsmodelle stellen diese vielfach Gegenbeispiele dar für den Begriff der »Open Codes« im Sinne der Informatik. In der Ausstellung »Open Codes« werden sie aber thematisiert.

Codes: Historische technische Bausteine und Schriften

Bausteine für »Open Codes«

Die Ausstellung »Open Codes« behandelt neben dem Blick auf Kunst, Wissenschaft und Gesellschaft auch die historische Entwicklung der für die Erzeugung, Übertragung und Verarbeitung von Codes erforderlichen technischen Bausteine und Systeme. Es geht dabei um Zählwerke in mechanischer oder elektrischer Art, um Speicherbausteine, realisiert in mechanischer, magnetischer oder elektronischer Technologie, um Schaltnetze, von einfachen Kreuzschienenschaltern mit Kontaktstöpseln bis zu den heute eingesetzten mikroelektronischen Gatterbausteinen und Mikroprozessoren. Wegen der historischen Bedeutung des Morsecodes erfährt dieser in der Ausstellung eine besondere Beachtung. Zum Thema Computer werden mechanische Rechenmaschinen verschiedener Art gezeigt. Die technische und mathematische Entwicklung von Codes und deren Verwendung als Signalcodes oder als Maschinencodes geschieht durch die Präsentation von wichtigen Schriften, beginnend mit der »Ars Magna« von Raimundus Lullus und dem Buch von Friedrich von Knaus zu den von ihm konstruierten selbstschreibenden Wundermaschinen bis hin zu den mathematischen Arbeiten von George Boole, Claude E. Shannon und John von Neumann.

Franz Pichler

 

In der Ausstellung »Open Codes« werden ca. 80 Objekte aus der Sammlung Pichler gezeigt. Große Teile dieser Sammlung sind seit 2011 Teil der ZKM | Sammlung.

Die Werke zu Maschinen- und Signalcodes sind in der Ausstellung im Bereich #GenealogieDesCodes zu finden.