Privatisierungen
Zeitgenössische Kunst aus Osteuropa
So, 16.05.2004 – So, 26.06.2005
Das Thema der Ausstellung ist die Situation der Kunst in den postkommunistischen Ländern Mittel- und Osteuropas. Sie zeigt künstlerische Videoarbeiten und Installationen, deren künstlerisches Verfahren die Appropriation ist: Die Gegenwartskünstler eignen sich die anonyme, kollektive, staatlich gelenkte kulturelle Produktion der sozialistischen Zeit an, und versuchen damit, eigene künstlerische Welten zu erschaffen und künstlerische Identitäten auszubilden.
Sie knüpfen in ihren Arbeiten beispielsweise an Funktionen und Wirkungen des Films des Stalinismus und Kalten Krieges an und kritisieren sie. So thematisiert der albanische Künstler Anri Sala mit seinem Film »Intervista« die Suche nach einer Sprache der Gegenwart für Ereignisse der Vergangenheit. Er zeigt nicht nur den Widerwillen der ehemaligen kommunistischen Elite Albaniens, sich mit der Vergangenheit zu beschäftigen, sondern vor allem die Strategien der Verleugnung, Verdrängung, Scham, der Rationalisierung und des Bedauerns angesichts der Unfähigkeit, das Vergangene in adäquater gegenwärtiger Erfahrung zu artikulieren, und die Hoffnung, mithilfe der Kunst Möglichkeiten zu entwickeln, das Geschehene zu begreifen.
Das Medium mit denen viele Künstler seit dem Postkommunismus arbeiten, ist das Video. Künstler in Russland hatten lange Zeit keine Chance, Fernsehen und Massenmedien für ihre Arbeit zu nutzen. Als zum ersten Mal die westliche Werbung nach Osteuropa kam und das Fernsehen begann, über Künstleraktionen zu berichten, wurden den Künstlern schnell die vielfältigen Möglichkeiten der Medien Fernsehen und Video und ihre enorme gesellschaftliche Bedeutung klar. Sie sahen vor allem die Videokunst als eine Chance, mit der großen Medienwelt in Dialog zu treten. Das Medium eröffnete die Möglichkeit, das Fernsehen in der eigenen Arbeit zu reflektieren, sich auf gleicher Augenhöhe wie diejenigen zu artikulieren, die offiziell die Massenkunst benutzten. Die Ausstellung konzentriert sich vor allem auf den Videofilm als neues, wichtiges Medium postkommunistischer Kunst.
Das von Dmitrij Gutov zusammen mit der Gruppe Radek produzierte Video »Demonstration« gibt eine solche Auseinandersetzung mit Video und Fernsehen als Möglichkeit wieder, eine bestimmte Dramaturgie gesellschaftlicher Prozesse zu artikulieren. Das Video zeigt eine Performance. Einige Künstler begeben sich in der Stadt an einen verkehrsreichen Ort. Da, wo viele Personen vor einer roten Ampel warten, stellen sie sich vor die Wartenden und schreiten, als die Ampel für die Fußgänger auf Grün umschaltet, vor ihnen her. Sie halten Schilder und Plakate mit absurden und anarchistischen Parolen hoch und verwandeln den Fußgängerstrom so in eine Demonstration. Das Video ist u.a. mit der Filmmusik »Heart beat, pig meat« aus Antonionis Film »Zabriskie Point« unterlegt, womit ein Bezug zum Ende der 1960er Jahre hergestellt und die Frage nach der Möglichkeit von politischem Widerstand in Russland unter der Bedingung der starken Beeinflussung durch westlichen Life-Style, durch Massenkultur und ihre Technologien gestellt wird.
Die Ausstellung zeigt künstlerische Positionen der Gegenwart unter anderem aus den Ländern Russland, Polen, Rumänien, Kasachstan, Serbien, Ungarn, Slowenien und der Ukraine. Die kuratorische Leitung der Ausstellung hat Boris Groys.
 
Anne von der Heiden