Das Worte "unites" in roten Buchstaben auf dem ZKM_Vorplatz

04.09.2015

Die Erdoberfläche als weiße Leinwand

Achim Mohné und Uta Kopp von REMOTEWORDS über ihr Projekt zur GLOBALE

IM GESPRÄCH MIT ACHIM MOHNÉ 

Als Grundvoraussetzung für die Entwicklung der »Infosphäre« gilt die Schrift: Erst durch sie wurden unter anderem Speicherung und Codierung möglich. Auch beim Langzeitprojekt REMOTEWORDS von Achim Mohné und Uta Kopp dreht sich alles um die schriftliche Form des Wortes.

Als Teil der Ausstellung »Infosphäre« haben sie auf fünf Kontinenten auf oder vor fünf kulturellen Institutionen fünf Wörter installiert, die einen Satz von Peter Weibel ergeben. Das besondere dabei: Die großflächigen Buchstaben sind erst aus der Vogelperspektive als Wort erkennbar – »Google Earth« oder »Bing Maps« sind somit die geeigneten Werkzeuge, um dieses Projekt sichtbar zu machen.

Im Interview erzählt uns Achim Mohné welche Idee hinter dem Projekt steckt, wie es sich realisieren lässt und welche Bedeutung der Wort-Ort-Kombination zukommt.

Stefanie Strigl: Seit 2007 vermittelt das Kunstprojekt REMOTEWORDS Botschaften auf Dächern, die ausschließlich aus der Vogelperspektive erkennbar sind. Welche Idee steckt dahinter?

Achim Mohné: Die virtuellen Globen, die erstmals 2005 als »Google Earth« auftauchten, haben wir als ein neues Medium verstanden, das künstlerisch zu besetzen reizvoll wäre. Wir sahen einen »Möglichkeitsraum« im wahrsten Sinne. Die ganze Erdoberfläche lag da, wie eine weiße Leinwand, eine ungenutzte Aktionsfläche, die durch die neue Technik eben erst entstanden war. Hieraus entwickelten wir 2007 das Konzept zu »REMOTEWORDS«, als eine subversive Strategie des »analogen Hackings«. Zwar agieren wir im Unterschied zu Graffitikünstlern mit den Institutionen im Einklang, nicht aber mit den Distributoren, die unsere Botschaft transportieren. Die Satelliten beobachten uns ungefragt und wir senden auf demselben Kanal zurück.

Stefanie Strigl: Warum müssen wir erst einen Abstand einnehmen, um Botschaften zu verstehen? Sie spielen mit Nähe und Distanz, wie überträgt sich das auf unsere globalisierte Welt? Können wir erst, indem wir global denken, unser Alltagsgeschehen besser verstehen?

Achim Mohné: Ich glaube der Reiz liegt gerade im Paradox von Nähe und Distanz, also darin dass sich die nicht einsehbaren Nachrichten lokal verschließen und ausschließlich über ein Medium erfahrbar werden, das aber global einsichtig ist. In der Tradition der Land Art benutzen wir die Erdoberfläche und bearbeiten sie nahezu traditionell, nicht anders als die Zeichner der Nazca-Linien vor tausenden Jahren. Allerdings gestalten wir diese Flächen nicht für einen (potentiellen) göttlichen Blick, also nicht in einem natürlichen Sinne, sondern mit dem Ziel ein neues Artefakt zu schaffen, das als ein »Tool der Orientierung« in einer extrem mobilen Zeit funktioniert.

Stefanie Strigl: Wodurch wird die Auswahl des Ortes, des Gebäudes und des jeweils darauf platzierten Wortes oder Satzes bestimmt?

Achim Mohné: Es ist besonders wichtig, dass der Ort und die Worte eine semantische Einheit bilden. Die Nachrichten und Orte sind also nicht beliebig oder austauschbar. Das ist Basis des Konzeptes und wird mit den beteiligten Parteien, uns, den Autoren und Institutionen in Absprache entwickelt.  Auf einer ehemaligen Grenzstation bei Aachen steht beispielsweise ASYL, eine Botschaft die mit der Historie des Ortes arbeitet.

Die Auswahl der Dächer für die GLOBALE ist ein Sonderfall, denn die Verortung auf den fünf Kontinenten stand im Vordergrund. Gleichsam war wichtig, verschiedene Arten von Institutionen und Orten einzubinden, und so die Botschaft von Peter Weibel widerzuspiegeln. So konnten wir dem ZKM, als renommiertes Museum, die Ghetto Biennale in Haiti, in einem eher chaotischen urbanen Kontext gelegen, gegenüber stellen.

 

»Wir senden eine Nachricht auf demselben Kanal zurück, der uns ungefragt beobachtet.«

Achim Mohné

Stefanie Strigl: Im Rahmen der GLOBALE haben Sie fünf Dächer auf fünf Kontinenten mit fünf Wörtern bespielt, die einen Satz ergeben. Wie gestaltete sich die Koordination dieses Projektes? Welche Orte wurden weshalb gewählt und welche Partner sind beteiligt?

Achim Mohné: Das Verteilen von Wörtern auf mehreren Dächern kam uns als Idee für die GLOBALE. Jedes Wort steht für sich alleine, aber die ganze semantische Bedeutung des Satzes kann erst durch eine virtuelle Reise um den Globus erfahren werden. Das symbolisiert die Phänomene der Globalisierung, die sich als eine stetige Interaktion zwischen lokalem und globalem Handeln zeigt.

Die Koordination war eine Herausforderung, da die Länder sehr unterschiedliche Gesetze und auch Mentalitäten haben - aber auch logistische, praktische und meteorologische Bedingungen waren wichtig. In Afrika interessiert sich niemand für die Sicherheit auf dem Dach, aber Sonne und Wind können einem sehr zusetzen. In Neuseeland können Sicherheitsvorschriften das Projekt gefährden oder das unvorhersehbare Wetter die Fertigstellung verzögern.

Wir wollten neben der symbolischen Verteilung auf fünf Kontinenten auch möglichst solche Orte finden, die große Unterschiede der Lebensbedingungen auf der Erde zeigen, um somit die Aussage des Satzes zu unterstützen.

Soweto haben wir für den Anfang des Satzes gewählt. Das ehemalige Ghetto in Südafrika wurde während der Apartheitspolitik  zum symbolischen Ort für eine »ungerechte Welt« von Macht und Unterdrückung.

One earth unites many worlds

ONE steht auch für ein angestrebtes einheitliches Afrika. Das SKY ist als caritative und kulturelle Institution von immenser Wichtigkeit für Kliptown und hilft Probleme wie Armut, Hunger, Aids, Drogen und Gewalt zu mindern.

Für EARTH haben wir mit Neuseeland ein Land gewählt, das wohl wie kein anderes den von Wasser bestimmten Erdteil – Ozeanien – verkörpert, daran erinnernd, das zwei Drittel der Erde aus Meeren besteht, die ökonomisch und ökologisch unersetzbar sind. Mit dem Manukau Institute of Technology (MIT) ist eine Institution gewählt, die die ethnische Maori-Kultur Neuseelands stark fördert.

UNITES wurde für das ZKM gewählt, weil es wohl wie kaum eine andere Institution die digitalen und elektronischen Künste vereint und somit auch kulturübergreifende Funktion hat. Deutschland steht mit seiner Wiedervereinigung weltweit für eine Überbrückung politisch verfeindeter Systeme.

MANY in Taipei ist in einem Staat gesetzt, der vom bevölkerungsreichsten Land der Welt beansprucht wird, während sich Taiwan selbst als unabhängig von China sieht. Auch hier wieder ein offener Konflikt um Ländergrenzen und Territorien.

WORLDS in Porte-au-Prince in Haiti ist in einem der ärmsten Länder installiert, das auch durch das jüngste Erdbeben stark gezeichnet wurde und durch die Geschichte der Sklaverei stark geprägt ist.

Stationen und Projektpartner

  • RW.26 at Taipei Artist Village, Taiwan, Asien
  • RW.27 with Ghetto Biennale, Port-au-Prince, Haiti, Amerika
  • RW.28 at Soweto Kliptown Youth Centre, Johannesburg, Südafrik, Afrika (In Kooperation mit Sylt Foundation)
  • RW.29 at Manukau Institute of Technology, Faculty of Creative Arts in Auckland, Neuseeland, Ozeanien
  • RW.30 at ZKM I Centre for Art and Media, Karlsruhe, Deutschland, Europa

Technische Fakten

Die Farbe wird auf den Untergrund des Daches abgestimmt und soll einen möglichst hohen Kontrast haben. Meistens wird Rot verwendet, aber auch Weiß und Schwarz. Die Wiedererkennbarkeit des Projektes wird jedoch weniger durch die Farbe, als vielmehr durch die Pixelschrift und durch das REMOTEWORDS Logo, das gleichzeitig als Counter dient, transportiert.

Die Größe der Buchstaben und ihre Platzierung auf dem Dach sind abhängig von der Architektur des Gebäudes. Die Architektur beeinflusst somit auch die Wortwahl. Dies ist besonders bei kleineren Dächern eine Herausforderung für die Autoren, die sich so kurz wie möglich fassen müssen. Die Lesbarkeit, die von der jeweiligen Auflösung und Textlänge abhängt, ist in Städten besser als auf dem Land und in westlichen Ländern meist sehr viel besser als in der dritten Welt.

Die Nachrichten sollen so lang wie möglich erhalten bleiben, deshalb benutzt REMOTEWORDS hochwertige Materialien, die dem Wetter trotzen. Das sollte unter normalen Umständen etwa 20 Jahre sein. Mindestens bis zum Update auf einem der Navigationssysteme sollen sie verbleiben. Je länger sie stehen, desto höher wird die Chance, dass sie auf einem oder mehreren Systemen wie Apple Maps, Google Earth oder dem Kartendienst von Bing auftauchen.