Hans Richter

Stalingrad (Sieg im Osten)

1943

Stalingrad (Sieg im Osten)
Künstler/in / Künstlergruppe
Hans Richter
Titel
Stalingrad (Sieg im Osten)
Jahr
1943
Kategorie
Malerei, Collage, Mischtechnik (Malerei)
Material / Technik
Collage ; Tempera und Papier auf Leinwand
Maße / Dauer
95,5 x 522,1 x 7 cm
Sammlung
ZKM | Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe
Beschreibung

„Ursprünglich gedachte ich, diese Zeitungsdokumente nur als Referenzmaterial zu benutzen, aber meine Skizzen, die ich aus Billigkeitsgründen auf Zeitungspapier machte, gaben mir schließlich die Idee, warum denn nicht die Originalberichte der Zeit benutzen, die Frontnotizen selbst, die Reden und Beschwörungen, die Proklamationen der Unmenschlichkeit." [1]

Das Rollenbild »Stalingrad (Sieg im Osten)« verbindet abstrakte Malerei mit einer Collage aus gesammelten Zeitungsausschnitten von Kriegsberichten der amerikanischen Presse wie der New York Times. Hans Richter, der zur Zeit der Schlacht um Stalingrad, dem heutigen Wolgograd, 1942 bereits in die USA ausgewandert war, wollte die Entwicklung des Kriegsgeschehens in Europa künstlerisch festhalten.

Das Rollenbild, das als Vorstudie für eine weitere Version diente, ist von links nach rechts zu lesen und zeigt Phase für Phase den Kriegsablauf bis zur Niederlage und Kapitulation der Nationalsozialisten. Die abstrakten Strukturen korrespondieren dabei mit dem Inhalt der Zeitungsausschnitte: Beginnend mit einem schwarzen Keil, der die Ostfront auf einer abstrahierten Europakarte markiert, und strengen geometrischen Formen in Schwarz, Weiß und Rot, die auf das nationalsozialistische Deutschland verweisen, werden die abstrakten Formen zur rechten Seite hin bunter und in freiere, fließende Strukturen aufgebrochen. In der Vorstudie sind die Zeitungsausschnitte, die sich direkt auf Stalingrad beziehen, noch nicht vorhanden. Richter vermerkte aber mit Bleistift auf Zeitungsausschnitten beliebigen Inhalts Schlüsselwörter und die Originaltitel der später verwendeten Schlagzeilen.

Das Werk gibt einen Einblick in Richters Methode des filmischen Sehens: Ähnlich einer Filmrolle besteht die Arbeit aus strukturierten Sequenzen, die die Reihenfolge, wie die Betrachter:innen das Bild wahrnehmen, vorgeben. Seine Beschäftigung mit Rhythmus und Bewegung in der Malerei führten Richter bereits in den 1920er-Jahren zum Film. Zusammen mit Viking Eggeling gehört er zu den wichtigen Vertretern des frühen abstrakten Experimentalfilms.



[1] Hans Richter, zitiert nach: Doris Berger, »Die bewegte Leinwand. Hans Richters künstlerisches Schaffen in den 1940er-Jahren«, in: Hans Richter: Begegnungen, Ausst.-Kat. (München: Prestel, 2014), 140.

AutorIn: Judith Bihr

Über den/die Künstler/in